Am 15. Mai hatte der grüne Kreisverband Kurpfalz-Hardt zur Online-Sprechstunde für Menschen mit Behinderung eingeladen. Als Expertin konnte die grüne Landes-Behindertenbeauftragte Stephanie Aeffner aus Eppelheim gewonnenen werden.
Für Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen kommen zu den alltäglichen Schwierigkeiten noch weitere Probleme durch die Corona-Pandemie dazu. Angesprochen wurde zum Beispiel die Maskenpflicht: Für gehörlose Menschen stellen diese eine besondere Herausforderung dar, weil sie nicht mehr von den Lippen lesen können oder das Mundbild beim Gebärden nicht erkennen können. Andere Menschen, wie etwa Menschen mit Asthma, können aus medizinischen Gründen keine Maske tragen. Sie sind darum ausdrücklich von der Maskenpflicht befreit. Weil das die meisten Menschen aber nicht wissen, werden diese Menschen häufig in Bus und Bahn oder im Supermarkt angefeindet.
Auffällig ist momentan die Präsenz von Gebärdensprache im Fernsehen. Viele gehörlose Menschen beklagten, dass sie gerade in der Anfangszeit der Corona-Pandemie zu wenig Zugang zu Informationen hatten. Sie kämpfe schon lange dafür, dass Gebärdensprache in Nachrichten- und Informationssendungen selbstverständlich werde, erklärte Aeffner: „Nur so können die Medien ihren allgemeinen Informationsauftrag erfüllen. Corona hat da gewirkt.“
Gesprochen wurde auch über die geschlossenen Behindertenwerkstätten, die demnächst unter Einhaltung der Hygienevorschriften wieder geöffnet werden sollen. Die Menschen, die dort arbeiten und für ihre Arbeit ein monatliches Taschengeld von ca. 180 € erhalten, wurden während der Schließung der Werkstätten nicht entlohnt. Auch hier wäre ein finanzieller Ausgleich angebracht.
Für behinderte Menschen aus Risikogruppen, die nicht im Homeoffice arbeiten können, hatte Aeffner noch einen Tipp:
„Niemand mit Schwerbehinderung aus Risikogruppen darf dazu verpflichtet werden, sich bei der Arbeit einer zusätzlichen Infektionsgefahr auszusetzen – wenn jemand dies freiwillig macht, spricht nichts dagegen“, erklärte sie. Da, wo Schwerbehinderte gerade nicht arbeiten können, sei es möglich, in Absprache mit dem Arbeitgeber einen Antrag auf Arbeitsverbot beim zuständigen Gesundheitsamt zu stellen. Wenn das Gesundheitsamt ein Tätigkeitsverbot ausspricht, kann der Verdienstausfall nach dem Infektionsschutzgesetz beantragt bzw. erstattet werden.
Sehr schwierig ist die aktuelle Situation auch für pflegende Angehörige, da Tagespflegeeinrichtungen geschlossen sind. Der Unterstützungsbedarf könne zurzeit schwer über Pflegedienste organisiert werden, weil diese überlastet seien. Für berufstätige Angehörige, die gleichzeitig die Pflege von pflegebedürftigen Angehörigen übernehmen müssen, entsteht eine schwierige Situation. Sie müssen Beruf und Pflege unter einen Hut bringen und sind so einer herausfordernden Doppelbelastung ausgesetzt. Es ist zu erwarten, dass sich die Situation insgesamt auch für besonders gefährdete Personen erst wieder entspannt, wenn ein Impfstoff gegen das Virus erhältlich ist.
Patrick Alberti, der kommunale Behindertenbeauftragte des Rhein-Neckar-Kreises, bot seine Unterstützung und Hilfestellung in dieser Situation an und kann als Anlauf- und Informationsstelle vor Ort genutzt werden.
Auf die Frage einer Teilnehmerin, welche Fragestellung Aeffner zurzeit am meisten umtreibe, antwortete die Landes-Behindertenbeauftragte kurz und bündig. „Medizinische Atemschutzmasken“. In Deutschland werde die Zahl der Menschen, die zur Risikogruppe gehöre auf 22 bis 28 Mio. Menschen geschätzt. Um diesen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, sind medizinische Schutzmasken unerlässlich.
Die Online-Sprechstunde hat einige Fragen beantwortet, aber auch auf viele Probleme von Behinderten und ihren Angehörigen aufmerksam gemacht. „In Krisenzeiten ist es besonders wichtig, dass die Menschen aufeinander achten und niemanden aus dem Blick verlieren“, so Stephanie Aeffners Schlusswort.
Sigrid Schüller (Kreissprecherin)
Dr. André Baumann (Kreissprecher)